top of page

Dialoge – Struktur und Tempo

  • post841
  • vor 23 Stunden
  • 6 Min. Lesezeit

Viele Autor*innen, die gerade erst mit dem Schreiben beginnen, unterteilen ihre Manuskripte in Szene mit Handlung und Szenen mit Dialogen. Sie trennen also das, was tatsächlich geschieht, von dem, was gesagt wird. Ich plädiere dafür, Dialoge als Form von Handlung zu verstehen. Die Gespräche, die die Figuren führen, sollten genauso spannend sein. Sie können mit Handlung kombiniert werden, Tempo erzeugen und für große emotionale Momente sorgen.

 

Wie man Dialog und Handlung richtig dosiert, das Tempo kontrolliert und gleichzeitig die größtmögliche Verständlichkeit auf der Seite beibehält, darüber sprechen wir in diesem Beitrag.




Absätze

 

Damit Dialoge beim Lesen schnell verstanden werden können, folgen Sie bestimmten Regeln. Eine der wichtigsten ist die Absatzstruktur. Es gilt, dass immer dann ein neuer Absatz gemacht wird, wenn die sprechende Figur wechselt. Beispiel:

 

„Herr Müller, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Benjamin sich mehrmals im Unterricht danebenbenommen hat“, sagte die Lehrerin. „Ich weiß nicht, wie lange wir ihn unter diesen Umständen weiter unterrichten können.“

„Das ist doch unerhört“, erwiderte Herr Müller. „Es ist Ihre Aufgabe, meinen Sohn zu unterrichten.“

 

Im ersten Absatz spricht die Lehrerin, im zweiten Herr Müller. Wenn ihr diese Regel einhaltet, können die Lesenden das Gesprochene sehr schnell den jeweiligen Figuren zuordnen, vor allem wenn das Gespräch nur zwischen zwei Personen stattfindet.

 

Die Regel gilt auch für die Handlungen der Personen. Das Gespräch könnte wie folgt weitergehen:

 

Die Lehrerin seufzte und schloss kurz die Augen. „Sie müssen verstehen, dass es auch andere Kinder in dieser Klasse gibt. Wir müssen uns auch um die kümmern.“

„Das ist Ihr Problem.“ Herrn Müllers Gesicht lief rot an und er machte einen energischen Schritt auf die Lehrerin zu. „Ich zahle gutes Geld für diese Schule.“

Die Lehrerin wich erschrocken zurück.

„Glauben Sie mir, die Schulleitung wird auf meine großzügigen Spenden nicht verzichten wollen. Sorgen Sie also dafür, dass Benjamin hier die Ausbildung bekommt, für die ich bezahle.“

 

Handlung und wörtliche Rede einer Person stehen in einem Absatz. Wenn der Fokus von der einen auf die andere Person wechselt, wird ein neuer Absatz gemacht. Das gilt auch, wenn nichts gesagt wird, wie im dritten Absatz. Diese Struktur erlaubt es uns, an manchen Stellen ganz darauf zu verzichten, mit Inquits oder Einschüben die sprechende Person zu identifizieren, weil die Lesenden auch so erkennen, wer gerade spricht.

 

Manchmal wird nicht ganz klar, wo ihr einen Absatz machen müsst, vor allem wenn ihr beide Personen in einem Satz etwas tun lasst. Hört an diesen Stellen auf euer Bauchgefühl und fragt eventuell jemanden, der den Text nicht kennt, ob er verständlich ist. Diese Regeln sind nicht immer ganz eindeutig. Nehmt sie als Richtlinien, nicht als religiöse Gebote.

 

 

Inquits

 

Kein Beitrag über Dialoge, ohne über Inquit-Formeln zu sprechen. Inquits sind die kleinen Begleitsätze, die die sprechende Person identifizieren: „er sagte“, „fragte sie“ etc. Ich habe in einem anderen Beitrag schon intensiv über diese kleinen Helferlein gesprochen (lest hier nach), deswegen hier nur in aller Kürze.

 

Benutzt in jedem Fall Sprechverben wie „sagen“, „fragen“, „antworten“ usw. Man kann einen Satz nicht nicken oder husten und schon gar nicht aus dem Fenster schauen.

 

Wenn ihr die Inquits nicht immer wiederholen wollt, wechselt zu Einschüben mit Handlung, wie ich es im zweiten Beispiel oben gemacht habe. Auch so könnt ihr die sprechende Person identifizieren und gleichzeitig mehr Handlung liefern, die sich die Lesenden vorstellen können.

 



Das Tempo regulieren

 

Auch Dialoge haben ein Tempo, und je nach Situation sollte es schneller oder langsamer sein. Eine entspannte Konversation am Lagerfeuer sollte den Lesenden mehr Raum zum Atmen lassen als ein Streitgespräch. Um das Tempo eines Dialogs zu regulieren, habt ihr mehrere Möglichkeiten.

 

Die erste Möglichkeit besteht darin, die eingeschobenen Handlungen, die ihr zwischen die wörtliche Rede setzt, länger zu machen. Baut statt einem zwei Sätze ein, fügt eine kleine Beschreibung hinzu und schafft dadurch Atmosphäre und Raum. Natürlich sollten die Handlungen der Szene entsprechen: Wenn jemand ruhig etwas erklärt, sollte die Person dabei nicht wild gestikulieren oder aufspringen. Wollt ihr das Tempo hingegen anziehen, haltet die Einschubsätze kurz oder lasst sie ganz weg.

 

Auch die Satzlänge ist ein Mittel, mit dem ihr Spannung oder Ruhe erzeugen könnt. Kurze Hauptsätze ziehen das Tempo an, während lange Sätze mit Nebensätzen das Tempo drosseln. Das gilt natürlich auch für die Sätze der wörtlichen Rede. Wenn wir gehetzt sind, nutzen wir knappe Sätze und verzichten auf Unnötiges. Lass das in eure Überlegungen einfließen.



Der Einstieg

 

Wie wir schon im letzten Artikel besprochen haben, ist es nicht immer zielführend, sich beim Entwerfen von Dialogen an dem zu orientieren, was wir im echten Leben sagen. Das gilt auch für den Einstieg in einen Dialog.

 

Wenn zwei Personen sich im echten Leben begegnen, brauchen sie in der Regel eine gewisse Anlaufzeit, bevor sie auf interessante Themen kommen. Es gilt nicht als höflich, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Stattdessen erkundigt man sich über das Leben des Gegenübers, erzählt von den Kindern oder tauscht Gemeinplätze aus.

 

Wie viel davon wir in Romanen unterbringen, hat etwas mit der Situation zu tun. Wenn ihr durch diese Floskeln Atmosphäre schaffen, die Welt erklären oder die Figuren charakterisieren könnt, dann baut sie ein. Falls sie aber nichts davon tun, unterschlagt sie und langweilt eure Lesenden nicht mit vorhersehbarem Geplänkel. Genau wie bei der Gestaltung von Szenen gilt bei der Gestaltung von Dialogen: Steigt so früh wie nötig und so spät wie möglich in das Gespräch ein.

 

Zum Beispiel: Euer Protagonist geht zum Metzger und erfährt dort eine wichtige Info zum neuen Nachbarn. Anstatt die Begrüßung, die Fragen nach der Gesundheit, die Bestellung, die Nachfragen zur Bestellung („Darf’s auch ein bisschen mehr sein?“) und all das hinzuschreiben, reicht ein kleiner Begleitsatz.

 

Wie jeden Mittwoch ging Bernhard vormittags einkaufen, nicht in den Supermarkt, sondern in die kleinen Läden in der Fußgängerzone, deren Inhaber ihn kannten, ihn mit Namen begrüßten und immer Zeit für ein Schwätzchen fanden.

Während der Metzger Schinken und Blutwurst in Plastikfolie wickelte, lehnte er sich verschwörerisch über den Tresen. „Haben Sie denn schon gehört, was der Herr Schmidt sich neulich geleistet hat?“

  

 

Der Abschluss

 

Dasselbe Prinzip gilt für den Abschluss eines Dialogs. Verzichtet auf lange Abschiedsfloskeln, die gängigen Versicherungen, sich bald wiederzutreffen, und die Wünsche an die Familie, solange sie nicht wichtig für die Geschichte sind. Geht so früh wie möglich raus aus dem Dialog.

 

Aber endet auch nicht mit der wichtigsten Information. Stellen für uns den gerade begonnenen Dialog weiter vor.

 

„Nein, habe ich nicht“, sagte Bernhard mit unschuldigem Blick.

„Der Frau Beimer ihr Hund ist tot.“ Der Metzger reichte die Papiertüte über den Tresen. „Und sie sagt, der Schmidt hat was Giftiges über den Zaun geworfen. Hat sich immer beschwert, dass der Dackel so viel bellt.“

Bernhard verabschiedete sich und ging.

 

Klingt das für euch nicht auch reichlich abrupt? Das liegt daran, dass die wichtigen Informationen in unseren Geschichten verstanden und gefühlt werden wollen. Den Figuren sollte eine Chance gegeben werden, zu reagieren, damit die Lesenden mit ihnen reagieren können. Außerdem wirkt es beinahe unhöflich, dass Bernhard den Dialog nach dieser Information einfach beendet. Besser wäre also:

 

„Nein, habe ich nicht“, sagte Bernhard mit unschuldigem Blick.

„Der Frau Beimer ihr Hund ist tot.“ Der Metzger reichte die Papiertüte über den Tresen. „Und sie sagt, der Schmidt hat was Giftiges über den Zaun geworfen. Hat sich immer beschwert, dass der Dackel so viel bellt.“

„Nicht Ihr Ernst!“, keuchte Bernhard.

„Doch, doch. Sie schwört es.“ Der Metzger schüttelte den Kopf. „Ich hab’s gleich gesagt, nicht wahr? Gleich als der hergezogen ist. Irgendwas ist faul mit dem.“

Die beiden schauten sich einen Moment schweigend an.

„Sieben fünfzig macht das dann.“

Bernhard riss sich aus seinen Gedanken. „Natürlich“, sagte er und kramte sein Portemonnaie heraus.

 

Mit diesem Ende kann direkt in eine neue Szene übergeleitet werden. Die Figuren hatten ausreichend Zeit, die Information zu reflektieren, und der Verweis auf den Preis deutet das Ende des Gesprächs an, ohne es in allen Einzelheiten auszuwalzen. Gleichzeitig wirkt der Dialog natürlicher.

  

 

Fazit

 

In diesem Artikel habe ich euch viele kleine handwerkliche Methoden gezeigt, mit denen ihr eure Dialoge strukturieren und ihnen das passende Tempo geben könnt. Wie schnell oder langsam, wie lang oder kurz, wie floskelreich oder sparsam euer Dialog am Ende wird, hängt von eurer Geschichte, der Szene und dem Ziel ab, das ihr mit der Textpassage verfolgt. Wenn ihr euch nicht sicher seid, versucht einfach verschiedene Dinge aus und zieht vielleicht Testlesende hinzu, die euch Feedback geben können.

 

Und nicht vergessen: Natürlich hilft ein Lektorat dabei, Dialoge zu optimieren. Fragt mich gerne an, wenn ihr Hilfe braucht.



Du willst keinen Blogbeitrag mehr verpassen? Melde dich hier für die Post aus der Schreibwerkstatt an.


Du möchtest, dass dieser Blog weiterexistieren kann und du regelmäßig mit neuen Schreibtipps versorgt wirst? Dann unterstütze mich auf Steady.






 
 
 

Kommentare


Die Kommentarfunktion wurde abgeschaltet.
bottom of page