top of page

Worldbuilding: Welten in der Fantasy

Besonders das Fantasy-Genre besticht durch seine magischen Welten, in denen die Lesenden sich geradezu verlieren können. Und oft geht es den Schreibenden genauso: Sie zelebrieren den Weltenbau, denken sich immer neue Mythen und Nebengeschichten aus und entwerfen ausgefallene Tiere und Fabelwesen. Auch wenn es so scheint, als hätte man beim Weltenbau in der Fantasy Narrenfreiheit, gibt es doch einige Richtlinien, an die man sich halten, und Klischees, die man eventuell vermeiden sollte.




Magie

 

Magie ist ein zentrales Element der Fantasy. Egal in welchem Setting die Geschichte spielt, eine Prise Übernatürliches ist notwendig, damit sie sich für das Genre qualifiziert. Dabei muss es nicht immer die von Menschen gewirkte Magie sein, es reichen Fabelwesen oder mythologische Elemente, um einen Roman in der Fantasy anzusiedeln.


Wenn ihr die Magie für eure Welt entwerft, solltet ihr euch Gedanken darüber machen, welchen Regeln sie folgt. Ihr habt die Wahl zwischen einem stringenten Modell (Hard Magic System), das strenge Gesetze hat, oder einer vagen Variante (Soft Magic System), in der nicht so genau definiert ist, wie die Magie funktioniert – und natürlich Zwischenvarianten. (Hierzu mehr im nächsten Blogbeitrag!) Entscheidend ist jedoch, dass ihr euch relativ früh bewusst seid, welchen Gesetzen ihr folgen wollt, damit ihr nicht im Laufe des Schreibens immer, wenn ein Problem auftaucht, qua deus ex machina eine magische Lösung aus dem Hut zaubert. Wie alles in der Welt wollte ein Magiesystem homogen sein und zur Welt passen.


Eine der wichtigsten Funktionen der magischen oder übernatürlichen Elemente ist es, die Lesenden ins Staunen zu versetzen. Man nennt das auch Sense of Wonder. Dieses Gefühl möchte das Publikum erleben, wenn es eure Bücher liest. Behaltet das immer im Hinterkopf.


Prinzipiell habt ihr selbstverständlich Narrenfreiheit, wie euer Magiesystem aussehen soll. Ich gebe aber zu bedenken, dass es schon sehr viele Romane, Filme und Spiele in diesem Genre gibt. Deswegen sind einige Magiesysteme schon etwas abgelutscht, wie zum Beispiel jene, in denen die Figuren über verschiedene Zauber der vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) verfügen. Verwendet ein bisschen mehr Zeit an dieser Stelle und greift nicht auf die erstbeste Idee zurück, die euch über den Weg läuft. Mit ein paar frischen Konzepten könnt ihr eure Leserschaft begeistern.

 

 

Wesen

 

Auch magische Wesen spielen in vielen Fantasy-Geschichten eine zentrale Rolle. Derzeit sind Drachen sehr populär, doch auch Vampire, Werwölfe, Elfen, Zwerge, Orks und Einhörner gehören zu beliebten und immer wieder verwendeten Lebewesen. Welche ihr verwendet, hat schnell Auswirkungen auf eure Leserschaft – Vampir-Romane sind zum Beispiel inzwischen ein eigenes Subgenre und erfreuen sich einer treuen Fangemeinde. Wählt also mit Bedacht und lasst euch auch gerne was Neues einfallen, anstatt auf bereits Vorhandenes zurückzugreifen.


Ein Vorwurf, der dem Genre immer wieder gemacht wird, ist die Vereinheitlichung einzelner Rassen. Die Orks werden zum Beispiel alle als aggressive Tötungsmaschinen dargestellt, Zwerge immer als bärtige Axtschwingende und Elfen als einfühlsame und weise Ehrenleute. Das wirkt nicht nur abgeschmackt, es passt auch nicht zu unserem modernen Verständnis von race im rassismuskritischen Kontext. Spannend wird es, wenn ihr mit diesen Klischees brecht. Es muss auch unter den Orks Kindergärtner*innen geben, Schmuckdesigner*innen bei den Zwergen und Heiratsschwindler*innen bei den Elfen. Denkt bei euren Wesen nicht zu sehr in Schubladen, sondern in kulturellen und geschichtlichen Kontexten. Und erlaubt vielleicht sogar, dass die Völker sich vermischen.

 

 

Gesellschaft

 

Die Gesellschaft, in der ihr eure Geschichte ansiedelt, ist mehr als ein Hintergrund, vor dem eure Figuren agieren. Sie ist wie Wasser, das eure gesamte Geschichte durchtränkt und in jedem Winkel sicht- und spürbar ist. Wie ich im vorherigen Artikel bereits erwähnt habe, sollten der Aufbau eurer Gesellschaft, euer Magiesystem und die Wesen, die ihr auftreten lasst, sich gegenseitig bedingen. Wenn es zum Beispiel besonders bedrohliche Tiere gibt, ändert das vielleicht die Architektur von Wohngebäuden. Starke Magie kann Auswirkungen auf Flora und Fauna und vielleicht sogar ganze Landschaften haben. Und bestimmte Fähigkeiten der Figuren machen manche technischen Entwicklungen vielleicht unnötig – wieso einen Sattel für ein Pferd entwerfen, wenn man fliegen kann? Auch hier gilt also: Alles muss in sich logisch sein. Denkt euch tief in eure Welt hinein, um sie wirklich zu verstehen und sie aus einem Guss erscheinen zu lassen.


Traditionellerweise sind viele Fantasy-Geschichten in einer quasi-mittelalterlichen Welt angesiedelt (Urban Fantasy ausgenommen, natürlich). Der leicht archaische Charakter dieser Epoche gibt dem Setting einen rohen Charme und eignet sich gut für Abenteuergeschichten. Doch auch hier stellt sich die Frage, ob ihr mit einer anderen Wahl vielleicht einen neuen Reiz in das Genre bringen könnt. Das viktorianische Zeitalter und auch die Renaissance werden beispielsweise immer beliebter als Vorlagen für Fantasy-Welten. Doch auch ganz andere Konzepte und Ideen aus anderen Kulturkreisen können euch spannende Impulse geben. Schaut gerne mal über den Tellerrand.

 


Infodumping

 

Politik

 

Was für die Gesellschaft gilt, gilt auch für politische Strukturen. Oft greifen Schreibende in der Fantasy auf feudalistische Systeme mit einem*r Monarch*in zurück. Natürlich liegt darin viel Konfliktpotenzial, und Konflikte sind es, die Geschichten vorantreiben. Dennoch ist vielleicht auch hier manchmal ein wenig Rückbesinnung angebracht. Versetzt euch tief in eure Figuren und überlegt, wie sie eine politische Struktur aufbauen würden unter Berücksichtigung all dessen, was in ihrer Welt existiert. Würden sie einen Rat der Weisen wählen? Sich von dem*r stärksten Krieger*in anführen lassen? Die Entscheidungen einem Orakel überlassen? Oder den Sternen? Oder der Magie?


Ich denke gerne an Lord Varys aus „Game of Thrones“ zurück, der sagte: „Die Macht wohnt dort, wo die Menschen glauben, dass sie wohnt.“ Was glauben eure Figuren?



Fazit

Oft höre ich die Unterstellung, dass so viele Schreibanfänger*innen Fantasy schreiben, weil man dort alles darf und sich an keine Regeln halten muss. Das ist allerdings, wie ich hoffentlich klarstellen konnte, nicht richtig. Gutes Worldbuilding in der Fantasy stellt zwar seine eigenen Regeln auf, folgt ihnen aber bis tief in die kleinsten Details des Alltags der Figuren. Wenn ihr es schafft, eine Welt zu kreieren, die in sich schlüssig ist und zusätzlich die Leserschaft immer wieder ins Staunen versetzt, habt ihr die perfekte Grundlage für ein spannendes Fantasy-Abenteuer.


Du willst keinen Blogbeitrag mehr verpassen? Melde dich hier für die Post aus der Schreibwerkstatt an.


Du möchtest, dass dieser Blog weiterexistieren kann und du regelmäßig mit neuen Schreibtipps versorgt wirst? Dann unterstütze mich auf Steady.


67 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare


Die Kommentarfunktion wurde abgeschaltet.
bottom of page